Zwei Monate lang habe ich nun das Projekt „Suche nach den Nachkriegskindern“ bei Sciencestarter beworben und auf allen Kanälen um Unterstützung gebeten. Tatsächlich hat das Projekt am 6. Februar 2014 das Finanzierungsziel von 10.000€ erreicht, worüber ich sehr glücklich bin. Ich möchte mich bei allen 99 Unterstützern herzlich bedanken, die das möglich gemacht haben. Das Finanzierungsziel wurde erst kurz vor Projektende erreicht, was die Spannung zum Schluss fast unerträglich werden ließ. Wenn es nicht erreicht worden wäre, hätten alle Unterstützer ihr Geld wieder zurückerstattet bekommen. Man braucht also gute Nerven für das Crowdfunding, sowohl als Projektstarter als auch als Unterstützer, von denen sehr viele mitgefiebert haben. Meine Erfahrungen aus der letzten Phase vor Beginn der Arbeit möchte ich in diesem Blogbeitrag zusammenfassen.

Beim Crowdfunding für die „Suche nach den Nachkriegskindern“ haben etwa 100 Menschen im Schnitt 100€ für ein Projekt gegeben, von dem sie keinen direkten Vorteil, kein Produkt, kein direktes Ergebnis erhalten, wie das sonst bei Crowdfunding für Produkte oder Medien üblich ist. Alles was ich anbieten konnte, waren symbolische Dankeschöns wie Namensnennungen, Gespräche oder ein Buch, und das Versprechen, dass ich ein Jahr am Projekt arbeiten werde, damit die Suche nach den Nachkriegskindern weitergehen und ein Projektantrag an der Universität vorbereitet werden kann. Dabei war es eine Herausforderung über den Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis hinaus die Menschen zu erreichen, die am Projekt interessiert oder vom Thema betroffen sind, aber selbst nicht unbedingt netzaffin sind.

Offiziell begonnen hat das Crowdfunding für die „Suche nach den Nachkriegskindern“ am 16. November 2013. Nachdem sich 100 Fans in der Startphase kostenlos bei Sciencestarter registriert hatten (Link zum Artikel), musste ich zu Beginn der Finanzierungsphase Anfang Dezember relativ schnell die Scham ablegen um einen kleinen oder größeren finanziellen Beitrag zu bitten (Link zum Artikel), was mir anfangs nicht leicht gefallen ist. Als die erste Scham abgelegt war, konnte die Öffentlichkeitsarbeit beginnen. In der Startphase habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, möglichst persönlich anzusprechen, aber doch einige allgemeine Informationen in der Signatur der Email beizufügen.

Kommunikation

Zentraler Dreh- und Angelpunkt der Kommunikation war neben der Projektseite bei Sciencestarter der Blog bei de.hypotheses http://zakunibonn.hypotheses.org. Dort erschienen erste Artikel zum Thema Crowdfunding, Ausschnitte aus der Diplomarbeit und Hintergründe zur Nachkriegskinderstudie. Analysen des Crowdfundings habe ich in meinem eigenen Blog veröffentlicht. Auch andere Blogger haben mir Anfang Dezember geholfen, indem sie das Projekt ihren eigenen Lesern vorgestellt haben, beispielsweise Michael Schmalenstroer (Schmalenstroer.net), Margret Ott (Archivalia) und Johannes Mirus (1ppm). Ein weiteres wichtiges Element der Kommunikationsstrategie waren soziale Medien. Neben meinem eigenen Facebook-, Twitter-, Google+- und XING-Accounts, habe ich für das Projekt jeweils eigene Facebook– und Twitter-Accounts eingerichtet. Diese hatten natürlich am Anfang nur wenige Follower. Mittlerweile hat die Facebook-Seite 119 Likes und der Twitter-Account 77 Follower.

Ein weiteres wichtiges Kommunikationsmittel war das Versenden von persönlichen Emails. Dazu habe ich mein Adressbuch noch mal auf den neuesten Stand gebracht und sortiert, so dass ich einzelne Zielgruppen mit etwa 20-30 Adressaten anschreiben konnte. Teils habe ich auch versucht jedem einzelnen Kontakt eine persönliche Email zu senden, doch das stellte sich als zu zeitaufwändig heraus. Also blieb ich bei der Strategie, die ich in der Startphase genutzt habe, nämlich eine für Zielgruppen angepasst Ansprache zu wählen und eine allgemein gültige Erklärung mit Anleitungen zum Unterstützen in der Signatur der Email beizufügen, stets mir der Bitte auch die eigenen Kreise zu informieren und die Email weiterzuleiten. Insgesamt habe ich in der Finanzierungsphase 3 solcher Massenemails versendet, einmal am Anfang, einmal in der Mitte, und einmal wenige Tage vor Schluss. Teilweise habe ich auch Kontakte angeschrieben, bei denen ich mich lange nicht mehr gemeldet hatte, was nicht überall Freude hervorgerufen hat. Doch gab es unter den Angeschriebenen viele wichtige Unterstützer, die ich anders nicht erreicht hätte. Darüber hinaus habe ich die Adressliste stetig erweitert, entweder durch Hinweise von Freunden und Kontakten oder durch Internetrecherche nach Personen und Organisationen, die bereits zum Thema Kriegs- und Nachkriegskindheit online publiziert haben. Solche Massenemails haben natürlich auch den guten Nebeneffekt, dass man sein Adressbuch überprüfen kann, weil viele Emailadressen nicht aktuell sind und die Emails mit einer Fehlermeldung zurückkommen. Durch solche Emails habe ich es dann auch in verschiedene Emailverteiler wie beispielsweise den Newsletter der BAGSO geschafft, aber auch in Communities von Genealogen und Kriegskinder-Gruppen.

Am 14. Dezember 2013 hatte ich 5% der Zielsumme erreicht. Ich muss zugeben, dass ich vor Weihnachten sehr wenig Zeit für das Projekt hatte und nicht so viel Werbung machen konnte, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich hatte viele Pläne, zum Beispiel ein Video zu erstellen, in dem ich kurz das Projekt vorstelle. Den Aufwand dafür habe ich unterschätzt, sodass bis zum Ende des Projekts der Scienceslam als Vorstellung für das Projekt herhalten musste. Nicht alle haben die Aufmerksamkeit für ein 12 Minuten langes Video, andererseits war der Scienceslam ganz unterhaltsam. Viel besser wäre ein gut gemachtes, 2 bis 3 Minuten langes Video gewesen. Im Bekanntenkreis wusste ich das Andreas Rüther und Sebastian Eckert bereits gute Videos produziert haben, diese haben mir Ihre Hilfe auch angeboten, doch ich bin bis zum Schluss nicht dazu gekommen ein Skript zu entwerfen, geschweige denn zu drehen. Das Video hätte ich besser vor dem Start des Projekts vorbereitet, was natürlich den Start wiederum verzögert hätte.

An meinem Geburtstag kurz nach Weihnachten wurde mir ein Wunsch erfüllt und es gab einen Schub auf 16% der Zielsumme. Auch an Sylvester gab es größere Spenden. Kurz nach Sylvester und dem Ende der Feiersession wurde ich krank, so dass ich erst am 7. Januar den Endspurt einläuten konnte. Mir war klar, dass ich nun schnell über den Freundes- und Bekanntenkreis hinaus Reichweite erzielen muss, damit das Projekt in den letzten vier Wochen noch Erfolg haben kann. Auch die sozialen Medien alleine würden nicht reichen, da ich den Link zum Projekt bereits sehr oft in den sozialen Medien gepostet hatte und mir mittlerweile sicher war, dass wirklich alle vom Projekt wussten, die mir dort folgten. Später stellte sich heraus, dass Gunnar Sohn beispielsweise es erst ganz kurz vor Ende über eine Mailingliste erfahren hat, obschon ich mit ihm über alle sozialen Netz mit Bonner Bezug vernetzt bin. Also macht man besser einmal zu oft Werbung, als einmal zu wenig. Wichtig war auch die Unterstützung durch das Weiterleiten, Teilen oder Retweeten meiner Nachrichten. Teils gab es „Fans“ die wirklich alle Aufrufe weitergeleitet haben und ihre Leser mindestens so genervt haben, wie ich meine.

Unterstützer suchen und finden

Anfang Januar bekam ich nochmal zusätzliche Unterstützung durch die Crowdfunding-Plattform Sciencestarter.de, die mich auf ihrer Startseite als „Sciencestarter der Woche“ vorgestellt hat. Beim Durchschauen der anderen Projekte (es gab 5 weitere, die gleichzeitig aktiv waren) fiel mir auf, dass alle anderen bereits ihre Zielsumme vor Ende der Laufzeit erreicht hatten. Bei genauerer Analyse ihrer Unterstützer fiel mir auf, dass es eine Person gab, die mehrere tausend Euro in die Projekte gesteckt haben muss. Es gab also Großunterstützer, die alleine mehrere Projekte stemmen können. Ich bin bis heute verwundert, warum dieser Großspender alle anderen Projekte unterstützt hatte, die Nachkriegskinder-Suche aber nicht. Vielleicht war der Abstand zur Zielsumme bei mir noch sehr groß. (Falls dieser Unterstützer diesen Beitrag hier lesen sollte, würde ich mich über eine Email oder einen Kommentar freuen). Klar war mir nun aber, dass ein solcher Großspender die gesamte Situation innerhalb sehr kurzer Zeit verändern konnte.

In dem Zusammenhang wurde mir oft vorgeschlagen, ich solle mich für das Crowdfunding an Stiftungen oder Firmen wenden, diese hätten doch auch viel Geld und würden das Projekt bestimmt unterstützen. Doch das stellte sich als schwieriger als gedacht heraus: Beim Crowdfunding muss man das Geld zuerst auf ein Treuhandkonto überweisen. Erst danach, wenn das Projekt erfolgreich war, kann ich eine Rechnung ausstellen, schließlich kann es ja passieren, dass das Geld bei Nichterfolg des Projekts zurück zum Unterstützer kommt. Dann hätte ich aber auch keine Rechnung ausstellen dürfen. Dazu kommt, dass Stiftungen/Firmen und Verwaltungsapparate jeder Art nicht so spontan und bedingungslos Geld auf ein Treuhandkonto transferieren können. Beim Crowdfunding kommt es aber auf Vertrauen an und die Kontrolle erfolgt erst danach. Zuletzt ist es so, dass mit der Überweisung von Geld keine wirkliche Verpflichtung meinerseits zustande kommt. Es gibt keinen Vertrag und keine Vereinbarung, nur ein Versprechen.  Im Prinzip kann ich mit dem Geld auch in Urlaub fahren ohne irgendeine Arbeit zu leisten, das würde nur meinen Ruf ruinieren, strafbar wäre das meines Wissens nicht. Das Verhältnis zwischen Unterstützer und Projektleiter ist also vor allem auf Vertrauen basiert, weswegen ich mich zu größtmöglicher Transparenz verpflichtet fühle, was aber auch bedeutet, dass beim Crowdfunding vor allem der engste Kreis um den Projektstarter die Crowd bildet, erst danach kommen andere Menschen von außerhalb. Vertrauen reicht aber für Stiftungen und Firmen nicht aus, weswegen diese Optionen nicht wirklich offen standen. Dabei wäre es durchaus sinnvoll, wenn Stiftungen von vorneherein Crowdfunding-Projekte beispielsweise durch Donation-Matching unterstützen würden, wie Michael Schmalenstroer das vorgeschlagen hat.

https://twitter.com/MschFr/status/430358092245905408

So würde die Stiftung von der Öffentlichkeitsarbeit des Projektstarters profitieren und der Projektstarter kann leichter größere Summen erreichen. Trotzdem versuchte ich Firmen, Stiftungen und andere Organisationen zu erreichen, aber entweder habe ich durch meine Anrufe nur Verwirrung gestiftet oder gar keine Antwort bekommen. Es gab auch einen Professor, der gerne etwas von seinen Drittmitteln überweisen wollte, aber mangels Rechnung konnte die Verwaltung mir kein Geld überweisen, was seine arme Sekretärin fast zur Verzweiflung brachte, weil ich ihr keine Rechnung ausstellen wollte bzw. konnte. Damit war das Thema „Stiftungen, Verwaltung und Co.“ für mich erst mal erledigt. Möglich ist es, dass kleine Stiftungen unbürokratisch helfen können, aber da fehlten mir die direkten Ansprechpartner und die Zeit diese zu suchen.

Also kann ich kurz zusammenfassen, Crowdfunding passt noch nicht in die Programme der Stiftungen rein und Verwaltungen wissen oft noch nicht mal, worum es dabei geht und wie es funktioniert. Weil Crowdfunding auf Vertrauen basiert, werden zuerst Freunde und Bekannte unterstützen und erst danach kann man versuchen auch eine breitere „Crowd“ zu erreichen. Einerseits wäre es sehr naiv zu glauben, dass man ohne die Unterstützung von Familie, Freunden und Bekannten weit kommt, andererseits ist es naiv an den Erfolg zu glauben, wenn man diese Kreise nicht überschreiten kann. Eine größere Menge von Menschen erreicht man aber nicht nur über die sozialen Medien, sondern vor allem über die klassischen Medien. Crowdfunding zieht sehr stark Ressourcen aus dem engeren Kreis ab, daher kann auch nicht jedes Jahr ein neues Crowdfunding aufbauen, wenn man nicht sehr viele neue erreicht. Überhaupt muss man sehr stark vernetzt und offen sein, um beim Crowdfunding eine Chance zu haben.

Klassische Öffentlichkeitsarbeit und Facebook-Werbung

Am 12. Januar tastete ich mich also Richtung klassischer Öffentlichkeitsarbeit via Presse, Radio und Fernsehen vor. Ich schrieb Autoren und Journalisten an, von denen ich wusste, dass sie sich bereits mit dem Thema beschäftigt haben, wie beispielsweise Sabine Bode. Doch die meisten sind sehr beschäftigt oder bekommen so viele Anfragen mit Bitten, dass sie nicht bei allen antworten können bzw. jedem helfen können, wofür ich Verständnis habe, was auch immer die Gründe sind. Ich schrieb auch Britta Eisenbarth vom Haus der Wissenschaft in Braunschweig an. Sie hatte den ScienceSlam in Bonn organisiert, an dem ich teilgenommen hatte. Durch sie bin ich wieder an den Kontakt zum Journalisten Nicolas Ottersbach gekommen, der bereits für den General Anzeiger vom ScienceSlam berichtet hatte. Leider konnte der Interview-Termin erst sehr spät am 22. Januar stattfinden, aber jetzt weiß, dass ich diese Form der Öffentlichkeitsarbeit viel früher hätte beginnen müssen, aufgebaut von regional bis zu überregional. Trotz des knappen Termins ist aber noch kurz vor Schluss ein großer Artikel sowohl in Print- als auch Online-Version beim General Anzeiger Bonn erschienen.

Schon vorher gab es immer wieder den Tipp, ich sollte eine Pressemitteilung für das Projekt schreiben (z.B. bei pressebox.de, openpr.de, offenes-presseportal.de, presseanzeiger.de und besonders idw). Aber ich war skeptisch und fragte mich, ob wirklich jemand solche Pressemitteilungen liest. Dazu kam, dass man für den bekanntesten Wissenschafts-Presseverteiler, den idw, einen kostenpflichtigen Account braucht und eine Institution sein muss. Zwar hätte ich versuchen können, die Universitätspresseabteilung anzusprechen, aber das hätte auch Probleme geben können, da mein Status irgendwo zwischen Student, Promovend, geschäftlich und privat lag. Zwar hatte ich in Bonn studiert und war auch noch eingeschrieben, aber mein Studium war im Prinzip abgeschlossen. Noch gab es keine Promotionsvereinbarung, also war ich auch noch kein Promovend. Das Crowdfunding-Geld würde am Ende auf mein privates Konto gehen und mit meiner eigenen Selbstständigkeit wollte ich Rechnungen für die Unterstützungen ausstellen. Wegen dieser Probleme und Unklarheiten stand die Aufgabe bis zum Schluss unerledigt auf meiner To-Do-Liste. Die rechtlichen Fragen des Crowdfunding werde ich jetzt im Nachhinein klären und darüber bloggen. Während der Crowdfunding-Phase waren solche Fragen ein großer Unsicherheitsfaktor, vor allem weil ich nicht alle Fragen restlos beantworten konnte, trotz Gesprächen mit Steuerberatern und befreundeten Juristen. Crowdfunding sagt erstens nicht allen etwas und zweitens ist jedes Crowdfunding-Projekt etwas anders strukturiert, weswegen es auch keine pauschalen Antworten gibt.

Am 16. Januar habe ich Nicolas Ottersbach vom General Anzeiger eine Email geschrieben, auf die er mir innerhalb von 7 Minuten antwortete und die Zusage für einen größeren Artikel gab. Eine weitere halbe Stunde später stand der Termin für ein Treffen. „Die ‚alten Medien‘ sollte man niemals unterschätzen!“ schrieb ich augenzwinkernd an meine Ansprechpartnerin bei Sciencestarter und versuchte nun verstärkt Presse, Radio und Fernsehen auf das Thema aufmerksam zu machen. Ich fragte bei den bisherigen Unterstützern nach Kontakten zu Journalisten und Autoren, die sie mir tatsächlich vermitteln konnten. Zuerst versuche ich mit der lokalen Presse Kontakt aufzunehmen (General Anzeiger Bonn, Express, Kölner Stadtanzeiger), in einem nächsten Schritt hätte ich dann überregionale Redakteure finden müssen, die Interesse am Thema haben könnten, beispielsweise, wenn sie bereits dazu geschrieben haben (Spiegel, Süddeutsche, FAZ, Psychologie aktuell, Wissenschaft aktuell, Gehirn und Geist, scinexx, Deutsche Welle und viele weitere wurden mir beispielsweise vorgeschlagen.). Leider war die Zeit nun dazu zu knapp. Ich versuchte es auch beim lokalen Radio (Radio Bonn Rhein Sieg, DRadio, einslive und dem Uniradio BonnFM, letzteres hat dann später geklappt) und dem lokalen Fernsehen (Lokalzeit Bonn beim WDR). Das Lokalfernsehen hat sogar Interesse bekundet und Kontakt aufgenommen, doch leider gab es bereits einen fest geplanten Beitrag mit einem ähnlichen historischen Hintergrund und so konnte kein Beitrag vor Ende des Crowdfundings gesendet werden. Auf den Zeitungsartikel hat sich ein Fernsehautor gemeldet, der nun einen Beitrag mit uns vorbereitet. Dazu werde ich aber später mehr schreiben.

Weil die Zeit so langsam knapp wurde, dachte ich, dass auch Facebook-Werbung nicht schaden kann und steckte meine ersten (und letzten) 20€ in das soziale Netzwerk. Facebook-Werbung basiert auf eine Art Auktion. Werbetreibende bieten einen Preis für ein Leistung. Wenn jemand anderes mehr bietet, wird seine Werbeanzeige geschaltet und meine nicht. Als Leistung habe ich mir ausgesucht, dass möglichst viele Leute auf die Projektseite bei Sciencestarter geleitet werden. Ich muss also nur dann bezahlen, wenn auch wirklich jemand auf den Link geklickt hat und nicht, wenn er die Werbung nur angeschaut hat. Der Preis lag durchschnittlich bei 0,13€ pro Klick. Noch besser wäre es gewesen, wenn ich nur eine „Conversion“ bezahlen hätte müssen. „Conversion“ heißt, dass jemand die Werbung sieht, auf den Link klickt und tatsächlich Unterstützer wird. Nur in diesem Fall hätte ich die Werbung bezahlen müssen. Doch um die „Conversion“-Rate zu messen, muss ein Zählpixel bei Sciencestarter eingebaut werden. Darauf hatte ich leider keinen Einfluss. Die Anzeige für 20€ wurde bei 5030 Facebook-Usern angezeigt, wovon 151 auch auf den Link zur Sciencestarter-Projektseite geklickt haben. Ich vermute, dass von diesen 150 Klickern keiner Unterstützer geworden ist. Aber trotzdem gab es viele neue Likes für die Facebook-Seite, was ein netter Nebeneffekt der Werbung war, denn erst ab 100 Likes bekommt man einen schönen Link zur Facebook-Seite, der keine Zahlen enthält. Ansonsten war es meiner Meinung nach rausgeworfenes Geld, aber immerhin eine Ausgabe, die einen Absatz Wert ist.

Was mir leider erst im Nachhinein eingefallen ist: Es gibt auch bei Facebook die Möglichkeit Gruppen-Nachrichten zu schreiben, so dass auch wirklich alle Freunde vom Projekt erfahren und nicht nur Teilmengen, die Facebooks Algorithmus aussucht.Das wäre wahrscheinlich die sinnvollere Maßnahme gewesen, wenn ich daran gedacht hätte. Schön war es zu sehen, dass es bei Twitter und im Blogs erste Diskussionen um das Thema „Nachkriegskindheit“ gab.

Der Endspurt

Am 29. Januar stand der Zähler auf 2000€, also 20% der Zielsumme. Am 29. Januar blieben mir also nur noch 7 Tage übrig, um fast 8000€ zu sammeln. Ehrlich gesagt habe ich zu diesem Zeitpunkt fast selbst nicht mehr daran geglaubt, dass es noch klappen könnte. Andererseits wusste ich, dass ein Großunterstützer alles ändern konnte. Also schrieb ich nochmal an wirklich alle Emailadressen in meinem Adressbuch.  Am 30. Januar meldete sich darauf Gunnar Sohn bei mir mit folgender Nachricht: „Das hättest Du viel früher kommunizieren müssen.“ Ich war etwas verwirrt und schaute auf hunderte Tweets, dutzende Facebook-, Google+- und XING-Posts, meine Emails und dann das. Doch dabei blieb es nicht und Gunnar Sohn lud mich zum Livestream-Video-Interview mit Google Hangout on Air ein. Ich sitze also einen Tag später morgens vor meiner Webcam und versuche in 15 Minuten live die Fragen von Gunnar im bloggercamp.tv zu beantworten. Gunnar betont immer wieder, dass ich einen Großspender brauche, ich stimme nickend zu und hoffe, dass zufällig einer zuhört oder in Gunnars Verteiler ist. Live-Interviews sind eine Herausforderung, natürlich kann man sich leicht verhaspeln, unklar ausdrücken oder etwas vergessen. Doch der Hangout im Bloggercamp.tv war auf jeden Fall eine gute Medienübung für mich und bietet  Hintergründe zum Crowdfunding-Projekt, der Suche und einer möglichen Studie, die von den Professoren vorbereitet wird.

In den letzten sieben Tagen passierte auch wieder viel in den sozialen Medien. Viele Fans riefen via Twitter nochmal ihre Follower zur Unterstützung auf. Die Reichweite und die Spendensumme ging zum Ende ordentlich hoch. Ich suchte auch noch zusätzliche Emailadressen von Kontaktpersonen zum Thema Kriegs- und Nachkriegskindheit und schrieb diese an. Diese Maßnahmen und die knappe Zeit spiegelten sich auch im Kontostand wieder, der am 30. Januar 28% erreicht hatte, also 8% Zuwachs in 7 Tagen. Meine Hoffnung kam wieder zurück und ich erinnerte mich daran, dass das Crowdfunding erst dann vorbei ist, wenn es vorbei ist. Erst zum Ende kommt viel Bewegung ins Spiel, was mir auch die Projektmitarbeiter bei Sciencestarter sagten. Die wichtige psychologische Grenze liege bei 30% bis 50%, wenn diese Hürde genommen wäre, würden die meisten Projekte erfolgreich enden. Aber es bewegte sich immer noch nicht genug, um diese Grenze deutlich zu knacken.

Am 2. Februar waren noch 4 Tage übrig: 2.959 € waren auf dem Treuhandkonto, weitere 587 € sollten noch per Überweisung unterwegs sein, die psychologische Grenze war also fast geknackt. Teilweise machten die verschiedenen Überweisungssysteme Probleme, was es für unerfahrene Benutzer schwierig machte, das Projekt zu unterstützen. Ich versuchte dabei zu helfen wie ich eben konnte, beispielsweise indem ich anbot beim Ausfüllen der Formulare zu helfen. Manche wollte mir das Geld auch einfach so auf das Konto überweisen, was bestimmt einfacher gewesen wäre, aber dem Crowdfunding nicht direkt geholfen hätte. Eine Unterstützerin versuchte per Sofortüberweisung Geld zu überweisen. Doch die Kontonummer des Treuhandkontos war anonymisiert, was verhinderte, dass sie die notwendige Chip-TAN für das Online-Banking generieren konnte, doch ohne Kontonummer, gibt es keine Chip-TAN und somit auch keine Überweisung. Die klassische Überweisung funktionierte nur bis 5 Tage vor Ende des Crowdfundings. Danach konnte man nur noch Sofortüberweisung und Paypal nutzen. Paypal funktionierte leider auch nicht zuverlässig. So war es nicht möglich per Kreditkarte zu überweisen, ohne einen Paypal-Account anzulegen. Für Internetprofis mit Online-Banking-Account sind solche Hürden kein Problem, aber für weniger erfahrene Menschen sind solche Hürden quasi nicht zu überwinden.

Am 3. Februar fand die Socialbar in Bonn statt. Im Stress hatte ich völlig ausgeblendet, dass es in Bonn viele Internet-Veranstaltungen gibt, die eine prima Gelegenheit gewesen wären, um das Projekt vorzustellen. Das fiel mir erst auf, als mir Charlotte Jahnz erzählte, dass sie bei der Socialbar das Projekt @9nov38 vorstellen wird. Charlotte war daraufhin so unglaublich freundlich das Projekt am Ende ihres Vortrags bei der Socialbar noch kurz zu promoten. Ich versprach nach einer kurzen Erklärung und einem Hinweis auf das Crowdfunding bei der nächsten Socialbar das Projekt ausführlich vorzustellen.

Am 4. Februar erschien der Artikel im General Anzeiger und noch mal gab es einen großen Schwung an Aufmerksamkeit, der sich teils auch am Kontostand zeigte.  Der Stand am 5. Februar war 3372€, dazu kamen 602€, die zugesagt wurden. Es gab viele Reaktionen auf den Zeitungsartikel. Da meldeten sich Enkelinnen für ihre Großmütter, die kein Internet haben, aber gerne an der Studie teilnehmen wollten (, was sie leider nicht können, da ich ja nur die damaligen Teilnehmer suche, damit eine Nachfolgeprojekt mit genau den gleichen Teilnehmern im Alter gestartet werden kann). Teilweise kamen Anfragen per Fax an, womit ich vorher nicht gerechnet hätte. Teilweise riefen Interessierte auch im Büro an und es gab sehr interessante Gespräche. Man sollte also möglichst viele Kommunikationskanäle anbieten und nutzen (und trotzdem Grenzen setzen können). Da meldete sich per Email aber auch genau eine solche ehemalige Teilnehmerin der Studie, die ich suchte und diese organisierte sogar noch Klassentreffen mit ihren Altersgenossinnen. Mit ihr wird nun auch ein Interview für das Fernsehen vorbereitet, auf das ich mich schon sehr freue.

Der letzte Tag: „Wer macht die Wissenschaft?“

Am letzten Tag blieben nur noch 13 Stunden um das Projekt von 3847 € auf 10.000 € zu heben. Es erschien fast unmöglich, dass zu schaffen, aber ich hatte eine gute Ahnung. Von nun an aktualisierte ich bei Twitter jede Stunde den Stand und schrieb noch ein paar positive Sprüche in der Hoffnung, dass sie geteilt wurden und Aufmerksamkeit bekamen und nutzte zum letzten Mal den Emailverteiler mit allen Kontakten, worauf ich nun manche Antwort bekam, von weiteren Kontaktaufnahmen doch bitte abzusehen. So manche Grenze hatte ich also erreicht. Den ganzen Tag über kamen viele weitere Spenden dazu, so dass bis 18 Uhr rund 4400€ gesammelt wurden, also noch mal 12% der Summe innerhalb von einem halben Tag dazu kamen. Aber das reichte immer noch nicht. Noch mehr Lärm bei Twitter zu machen, wäre nur ein Sandsturm im Wasserglas gewesen. Viele vermuteten nun, dass das Projekt nur noch geringe Chancen hat. Dabei vergessen die meisten, dass es durchaus Menschen gibt, die die Bereitschaft und Möglichkeit haben, mehr zu geben, als andere, weswegen ein Projekt auch in letzter Sekunde wieder ganz anders dastehen kann. Und so kam es dann auch.

Den letzten Abend werde ich nicht so schnell vergessen. Ich saß als Social-Media- und Kamera-Mann für die Max Weber Stiftung in der Podiumsveranstaltung „Geisteswissenschaft im Dialog“ in der Bundeskunsthalle Bonn. Das Thema des Abends war „Wer macht die Kunst?“ und es ging in der Podiumsdiskussion um die Beziehung zwischen Kunst und Geld, die kontrovers diskutiert wurde. Vor der Veranstaltungen gab es einen Tweetup, also eine Führung durch die Bundeskunsthalle, bei der die Geführten twittern durften und sollten. Das Motto war „Mehr Dante wagen“, denn Dante wagte das Experiment auf Italienisch statt auf Latein zu publizieren. Ich fand das Motto passend, nicht nur zur Führung durch die Ausstellung „Florenz“. Wenige Tage vorher schickte mir Prof. Georg Rudinger zur Unterstützung den Artikel „Mehr Wissenschaft wagen“, in dem der Bonner Professor Eicke Latz Nachwuchswissenschaftlern Crowdfunding empfiehlt: „Forschungsförderung ist in Deutschland in den allermeisten Fällen eher eine Belohnung für bereits nachweislich Geleistetes als für die Leistung, die noch kommen wird – eher ein Reward- als ein Award-System.“ Es gab also noch weitere Professoren, die Crowdfunding nicht nur kannten, sondern auch noch unterstützten. Doch ob das Experiment „Wissenschaftsfinanzierung per Crowdfunding“ bei mir auch gelingen würde oder nicht, war noch offen.

Ich fand die Podiumsdiskussion daher sehr inspirierend und dachte während die Kamera lief über die neuen Möglichkeiten und Grenzen der Wissenschaftsfinanzierung nach (die auch bei der Kunst nur am Rande gestreift wurden). Um 18:21 bekam ich dann folgende Facebook-Nachricht: „Sascha, hat mein Computer einen Anzeige-Fehler? Oder hast Du es ganz plötzlich geschafft…?!?!“ Kurz zuvor hat also tatsächlich ein Großunterstützer den Pott voll gemacht und nachdem ich die frohe Nachricht weitergeleitet hatte, brummte das Handy für die nächsten zwei Stunden fast ohne Unterlass.

https://twitter.com/ffmetzger/status/431480193530998784

Felix Metzger saß neben mir und ließ es sich nicht nehmen mich ganz kurz nach diesem Moment zu fotografieren.

Die Frage „Wer macht die Wissenschaft?“ kann ich für mich seit diesem Moment voller Dankbarkeit so beantworten: 99 Unterstützer machen Wissenschaft durch Crowdfunding möglich. Teilweise gab es dann noch am Abend Unterstützer, die sogar über die Zielsumme hinaus gespendet haben, die letzte sogar 5 Minuten vor Mitternacht. Am 7. Februar wurde das Projekt überprüft und ich merkte anhand der Glückwünsche, die in der Zwischenzeit eintragen, wie viele Menschen mittlerweile das Projekt mitverfolgten. Am 9. Februar wurde dann das Treuhandkonto zur Auszahlung freigegeben. Für ein Jahr habe ich nun also nun die Aufgabe am Projekt „Deutsche Nachkriegskinder“ zu arbeiten und muss dabei 99 Arbeitgeber zufrieden stellen.

Wie geht es weiter?

Zuerst einmal war es mir wichtig, die Erfahrungen, die ich beim Crowdfunding gesammelt habe, in diesem Blogbeitrag zu sammeln. Ich bereite schon weitere Blogartikel vor, in denen ich genauere Statistiken und Auswertungen präsentieren möchte. Danach gilt es noch einige rechtliche und steuerliche Fragen zu klären, worüber ich dann auch schreiben möchte. Die Unterstützer warten natürlich auf die Einlösung der Dankeschöns. Nebenbei gibt es Anfragen von Medien und anderen Interessierten, die ich so gut und schnell wie möglich beantworten möchte.

Doch das wichtigste ist es, sobald wie möglich die Suche fortzusetzen, die Datenbank weiter zu programmieren und das Forschungsprojekt vorbereiten zu helfen. Dank des Crowdfundings habe ich jetzt nicht nur das Thema kommuniziert, ein Netzwerk aufgebaut und die Öffentlichkeit erreicht, sondern, dank der Unterstützer kann ich nun auch ein Jahr lang wirklich frei forschen, programmieren und arbeiten, ohne finanzielle Sorgen zu haben. Diese Freiheit, die mir durch das Vertrauen (und nicht zu vergessen dem Geld) von Vielen ermöglicht wurde, möchte ich mit Transparenz und Offenheit bezüglich meines Tuns und der Ergebnisse beantworten.

Veröffentlicht von Sascha Foerster

Sascha Foerster ist Geschäftsführer der Bonn.digital GbR, Social-Media-Berater, Community Manager, Moderator für Barcamps und Speaker bei Digital-Events.

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7 Kommentare

  1. Nicht allein für Wissenschaftler, sondern für alle an Crowdfunding interessierten Menschen ein lesenswerter Erfahrungsbericht, den wir auf CrowdFundBeat gerne verbreiten http://www.crowdfundbeat.de/?p=8240 . Auch für künftige Kampagnen maximale Erkenntnisse!

    Wir werden im neuen Branchenverband, dem German Crowdfunding Network (GCN) darüber informieren.

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