Zusammen mit anderen Tweeps vom #SMCBN, dem Social Media Club Bonn, bin ich der freundlichen Einladung der Dokumentationsstätte Regierungsbunker in Ahrweiler zum Tweetup am 14.12.2013 gefolgt, einem Treffen von Menschen, die twittern, mitten in einem Museum, aus dem man mangels einer Funkverbindung nicht twittern kann. Die „Guides“ nennen ihren Bunker liebevoll Regbu, der Hashtag war #Regierungsbunker und der offizielle Name lautet: Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes im Krisen- und Verteidigungsfall zur Wahrung von deren Funktionstüchtigkeit.

Etwa 15 Gäste waren wir, die wir uns inmitten der Weinberge des Ahrtals trafen. Draußen waren es etwa 5 Grad. Wir wurden freundlich von den Führern in signalfarbenen Jacken begrüßt und nach einer kurzen Erläuterung von durch das Rolltor in den ehemaligen Bunker der deutschen Regierung geführt. Drinnen waren es gemütliche 12 Grad, trotzdem bekam man Schüttelfrost, bei dem was man sah.

Dieser Ort sollte die Regierung und vor allem die Verfassung und ihre Organe im Falle eines Atomkriegs schützen, für 3000 Personen über 30 Tage. Etwas weniger als 30 Minuten würde vermutlich der Anflug einer Atomrakete aus der Sowjetunion brauchen und das war auch in etwa die Zeit, die man brauchte um von Bonn über die Autobahn 565 und 61 bis direkt in das Ahrtal zu kommen. Es ist weniger Zufall, dass Neuenahr-Ahrweiler eine Autobahnanbindung hat, als man glauben mag. Damals waren die Feindbilder eindeutig zu verorten.

Adenauer hatte die Idee einen Bunker zu bauen wohl 1950 bei Beginn des Koreakriegs verfestigt, 1962 war Baubeginn im ehemaligen Eisenbahntunnel und zugleich klar, dass auch dieser Bunker im Ernstfall keinen Schutz bieten kann, angesichts von Atomwaffen wie der Zar-Bombe. Gebaut wurde trotzdem bis zur Fertigstellung  im Jahr 1971. Nach ein paar Übungen und Momenten in der Weltgeschichte, bei denen man glaubte, dass man möglicherweise doch einen Bunker braucht, wurde der Tunnel von 2001 bis 2006 wieder entkernt, bis eben auf die etwa 200m Dokumentationszentrum, das glücklicherweise vom Heimatverein „Alt-Ahrweiler e.V.“ getragen wird. Heute zahlt der Steuerzahler keinen Cent mehr, nicht mal für den Betrieb des Museums, schließlich war es auch schon so mit 3 Milliarden DM der teuerste Bau in der Geschichte der Bundesrepublik, zumindest ist das die Summe, die man noch aus den Geheim- und Schattenhaushalten entschlüsseln konnte.

Im Inneren des Bunkers wurde uns die laut piepsende vor der Atombombe schützende Rolltür vorgeführt. In wenigen Sekunden bewegten sich 25 Tonnen Stahl und vor allem Beton, der nicht schmilzt, wenn eine Atombombe über das Ahrtal explodieren sollte, um den Bunker luftdicht zu verschließen. Krawumms!

So ein Bunker ist eine hochkomplizierte Angelegenheit. Es braucht Wasser, dass gab es aus einer tiefen Quelle. Es braucht Luft, die wurde über große Tunnel von außen hereingeholt, aber im Atomfall mussten blitzschnell alle Rohre verschlossen sein, damit die Insassen nicht verstrahlte Luft einatmen, die so heiß wäre, dass sie und die Technik nicht mehr funktionieren würden. Lüftungsanlagen mussten eingebaut werden, damit die Luft gefiltert und gekühlt werden konnte. Strom musste mit Batterien gespeichert und mit Generatoren erzeugt werden. Geheizt werden musste unter Tage. Ob das alles jemals wirklich funktioniert hätte? Und ob bei einem Atomkrieg überhaupt noch jemand existiert hätte, der eine Verfassung gebraucht hätte? Das sind Fragen, die man beim Bau unbeantwortet ließ. Sehr wahrscheinlich wäre sowieso durch die elektromagnetische Welle (EMP) bei der Atombombenexplosion alle Elektronik frittiert worden und die Insassen lebendig begraben in einer Welt, in der man nicht mehr leben möchte.

Man kann es kurz fassen: Es wurde ein Irrsinnsaufwand betrieben und ein Schweinegeld ausgegeben um die Illusion von Sicherheit aufrecht zu erhalten. Ich weiß nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll, aber immer noch stehen viele Atomwaffen in Deutschland und niemand macht sich heute wirklich darum Sorgen, oder?

Schließlich ist der gesamte Bunker mit Ausnahme der Dokumentationsstelle bis auf die Farbe an den Tunnelwänden entkernt worden. Geschlossen wurde er aus „Brandschutzgründen“. Tatsächlich: die PVC-Wände und Waschbecken aus Plastik statt aus Keramik würden lichterloh brennen, aber man wollte ja zeigen, dass man sparsam mit Steuermitteln umgeht.

Aus meiner Sicht ist dieser Bunker nur der Ausdruck der Angst vor einem Dritten Weltkrieg, der in Beton gegossen in die Erde gegraben wurde und mit ihm Milliarden DM (zu Zeiten, als ein neuer VW-Käfer noch 4000DM kostete). Vielleicht haben viele deutsche Firmen und damit viele Arbeiter Geld verdient, vielleicht war es eine versteckte Konjunkturmaßnahme, die niemals offiziell in irgendwelchen Bundeshaushalten der Ministerien aufgetaucht sind. Vielleicht ist es aber auch gut, dass heute Regierungen nicht mehr so einen Wahnsinn betreiben können, das hoffe ich zumindest. Und vielleicht hat man auch beim Bau gelernt, dass Frieden und Vertrauen für alle billiger sind, als der vermeintliche Schutz, der keiner ist, wenn beide Seiten immer weiter bis in die Sinnlosigkeit aufrüsten.

Als wir den Bunker fertig besichtigt hatten, konnten wir unsere zwischengespeicherten Tweets in die Welt hinauslassen. Ich habe sie in einer Tabelle gesammelt und ein paar eingebettet, damit man sie nachlesen und weiternutzen kann.

Danach sind wir noch einen Glühwein beim Mitternachtsweihnachtsmarkt in Ahrweiler trinken gegangen. Der Kalte Krieg ist für mich glücklicherweise nur noch ein ferner Schatten der Vergangenheit.

Alle Tweets in einer Tabelle zum Download

#Regierungsbunker.xlsx (zip)

Interaktives Twitterarchiv

Ausgewählte Tweets

Links

http://www.regbu.de (Dokumentationsstätte Regierungsbunker)

http://www.smcbn.de/2013/10/18/anmeldung-tweetup-regierungsbunker

http://www.kristinehonig.de/2013/12/zeitversetztes-tweetup-im-regierungsbunker-eindruecke-erfahrungen

http://openmuseum.de/bilder-des-tages-−-advent-2013/ (15. Dezember 2013)

http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/1613/deutschlands_geheimer_superbunker.html

http://storify.com/SMCBN/dezember-treffen-2013-des-smcbn

http://www.smcbn.de/2013/12/15/zeitversetztes-tweetup-regierungsbunker/

Literatur

Jörg Dieser: Geheimakte Regierungsbunker: Tagebuch eines Staatsgeheimnisses

Video

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Veröffentlicht von Sascha Foerster

Sascha Foerster ist Geschäftsführer der Bonn.digital GbR, Social-Media-Berater, Community Manager, Moderator für Barcamps und Speaker bei Digital-Events.

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6 Kommentare

  1. Huch, der war aber mehr als luxuriös! Ich war letztes Wochenende in Berlin in einem Bunker, der 4000 Zivilisten im Falle eines Atomkriegs aufnehmen können sollte. Dunkel, heiß und spartanischst eingerichtet…

  2. Man oh Man, was bist du schnell. Super Zusammenfassung der gestrigen Führung! „…Aus­druck der Angst vor einem Drit­ten Welt­krieg, der in Beton gegos­sen in die Erde gegraben wurde…“ trifft die Atmosphäre da unten in den Betonröhren perfekt!

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