Menschen, die irgendwas mit Internet machen, treffen sich einmal im Jahr beim Klassentreffen in Berlin, um sich auszutauschen und vor allem nach vorne zu blicken. Wohin entwickelt sich die digitale Gesellschaft? Ich erhoffte mir Inspirationen und Anregungen, aber irgendwie hat es dieses Jahr nicht so richtig gefluppt.
Vom 2. bis zum 4. Mai waren wir in der Station Berlin untergebracht. Dieses Jahr bot die er:publica gefühlt noch mehr Menschen (8000) für mehr Sessions (700+) mehr Raum. Parallel lief die Media Convention, wobei die Grenzen zwischen sozialen und klassischen Medien vermutlich nicht mehr immer ganz klar zu treffen sind. Umso interessanter ist der Austausch und die Vermischung bei der Konferenz.
Nach drei re:publicas habe ich mir angewöhnt, das Programm entspannt anzugehen. Man darf verpassen, man muss sogar verpassen können. Lieber schlendere ich ein wenig durch die Hallen, warte ein wenig ab und lasse dem Zufall Platz netten Menschen zu begegnen, die ich aus dem Internet kenne. Wobei ich die meisten schon vorher einmal getroffen hatte und so nur wenige ganz neue Gesichter traf.
Ich suchte nach Inspirationen, die ich nach Bonn mitbringen konnte. Spontan schlug ich den Hashtag #rpTENbonn vor und sammelte die ca. 30 Bonner ein, die vor Ort waren. Es gab auch ein Treffen und am dritten Tag durfte Johannes zeigen, wie man die Blogger einer Region sichtbarer macht, in unserem Fall mit Bundesstadt.com und Bonner Blogs. Aber fangen wir bei Tag 1 an.
Tag 1: Social Media braucht Sozialarbeiter
Ich selbst habe die Session nicht mitbekommen, fand aber den Gedanken ganz spannend, den ich mit Karin Krubeck diskutierte: Community Manager sind im Grunde so etwas wie digitale Sozialarbeiter. Ist ja auch irgendwie logisch, beim Community Management ist vermutlich mehr Gruppenpsychologie gefragt, als reines journalistisches Talent. Aber ist es dann so klug, immer mehr Journalisten zu Community Managern umzuwidmen? Karin meinte: Nein.
Eine andere Perspektive hatte Sabine Depew auf das Thema: Wie kann man soziale Medien für soziale Zwecke nutzen? Sei hilfreich und rede drüber, ein Motto, dass doch eigentlich wie gemacht scheint für die sozialen Medien und für soziale Institutionen. Über Betterplace und Online-Spenden hinaus, fallen mir kaum Experten in diesem Gebiet ein, vielleicht sind sie aber auch einfach nich nicht so sichtbar.
Wer in dieses Thema tiefer einsteigen möchte, dem sie der Artikel von Sabine Depew empfohlen!
Slow media? Digitale Magazine als Gegengewicht zum Snackable-Content
Die zweite interessante Session drehte sich um digitale Magazine. Aus der Feder der Bonnerin Sabria David stammte auch das Slow Media Manifest, insofern war ich gespannt zu hören, wie digitale Magazine idealerweise sein sollen. Da ich etwas zu spät kam, war ich nicht sicher, ob der Bezug hergestellt wurde, aber die Parallelen sind jedenfalls deutlich zu sehen.
Magazine sind Marken. Und eine Marke steht für Haltung, Stärke und Geschmack. Eine Marke schafft Vertrauen. Und Leservertrauen ist wichtig! Leserbindung Auch die Leserbindung ist wichtig. Magazine haben eine enge Beziehung zum Leser, die sich wiederum mit dem Magazin identifizieren, bis hin zum Fan sein. Magazine wollen nicht die meisten Menschen erreichen, sondern die richtigen. Eine Möglichkeit zur Teilhabe sorgt dafür, dass die Community hilft, indem beispielsweise die Leser auch Autoren werden, Content liefern und Themen mitdiskutieren. Bündelung Wenn Leser eine Gruppe sind, dann machen auch Bündel wieder Sinn, bzw. "Bundles". Der Mehrwert für den Leser liegt in der Komposition. Bündel sind endlich. Und Endlichkeit ist Mangelware im Internet. Darum sind Newsletter so beliebt. Diesen haben eine Anfang, ein Ende. Fertig! Design Es muss schön, übersichtlich und wertig sein, ,am besten Teil des OpenWeb, nicht versteckt hinter Barrieren von Social-Media-Plattformen. Erfolgsmeldung Magazine können in die Tiefe gehen, statt in die Breite. Wir sollen uns trauen, weniger zu sagen. Nachhaltige Texte führen zurnachhaltigen Loyalität und vielleicht auch zu nachhaltigen Geschäftsmodellen. Zeit Magazine haben Zeit.
Lustige Unterhaltung: Hörbar programmieren mit Sonic Pi
Zusammen mit Damian habe ich mich dann noch in neue Räume der Station gewagt. Dort wurde Musik im Terminal programmiert: und das war ganz unterhaltsam.
Danach schauten wir uns die verschiedenen VR-Stationen an, die im Haus J auf verschiedensten Ebenen vorgestellt wurden. Am beeindruckendsten fand ich einen Rollstuhl, mit dem ich durch eine Zombiewelt rollte. Beim zweiten Zombie, der meinen Arm stieß, musste ich das Experiment abbrechen. Zu intensiv, was aber für die Technologie spricht. Auch ein paar Klötze habe ich in VR-Welten hin und her getragen, bzw. auf ein Katapult gelegt. Ob das dann Arbeit 5.0 wird?
Tag 2: Snapchat und Meetups
Am zweiten Tag habe ich nicht mehr so viel protokolliert. Ich habe zwischendurch ein wenig gearbeitet und viele nette Treffen über den Tag gehabt. Es gab ein Meetup mit:
- Bonnern: klar, irgendwie hingen die den ganzen Tag aufeinander. :)
- Historikern: Das nächste HistoCamp ist noch auf Raumsuche, aber es gibt auch Fortschritte.
- Podcastern: Ich wurde zum dritten Jahr in Folge von David Scribane für den Schwarmtaler-Podcast interviewt.
- Na, und viele andere nette Menschen, die man so aus dem Internet kennt und dann in persönlich noch mal trifft.
Die Session von Wibke Ladwig zu Bibliotheken in der Provinz sprach mit besonders aus dem Herzen. Sie zeigte, dass Bibliotheken auf dem Land die Orte für Innovation sind. Ich musste natürlich auch an die Ansammlung der Bonner Bundesdörfer denken, in denen die Stadtteilbibliotheken es nicht immer leicht haben.
Nachdem VR am ersten Tag im Fokus stand, war der Abend des zweiten Tages völlig und ganz allein von Snapchat besetzt. Phillip Steuer hatte die gesamte Snapperia in das Büro des Berliner Startups Einhorn zum Happy Snapping eingeladen, dazu ein nettes Programm organisiert und das ging auf: ca. 120 Leute lauschten den Vorträgen und snappten bis die Akkus leer waren. Spontan änderte ich meine Snapchat-Strategie: vorher folgte ich nur Menschen, die ich kannte und mochte. Johannes lag mir dann aber solange in den Ohren, dass doch diese so toll snappe und jener doch so interessant sei, bis ich selbst auch neugierig war. Am Ende sagte Phillip nur mal kurz, dass wir die „Freunde in der Nähe“-Funktion anmachen sollten, und 10 Minuten später hatten wir halb Snapchat-Deutschland auf den Freundeslisten.
Deren Videos drehten sich fast ausschließlich um re:publica und das Snapchat-Event (welche Überraschung?) und einige stöhnten laut, aber nur, weil sie jetzt gar keinen Schlaf mehr bekommen sollten, wenn sie alle Snaps ihrer neuen Follower schauen möchten. Also gings auch gleich an die Filterarbeit und viele der neuen Snappis wurden gleich entfreundet oder #ausgründen geblockt. Doch Johannes behielt recht: schon nach den ersten Snaps wurde auch ich Fan von manchen Snapchattern, die ihrer Kreativität und Lebensfreude dort Ausdruck verleihen.
https://www.youtube.com/watch?v=Ad_9rFky-Bo
Tag 3: Von Bonn, Blockchains und historischen Facebook-Kommissionen
Johannes hatte aufgrund des erhöhten Snapchat-Aufkommens auch etwas weniger Schlaf bekommen und so trabten wir mürrisch, aber pünktlich um 10 Uhr zum Lightning Talk No. 2: „Wie man die Blogger einer Region sichtbar macht.“
Gunnar hat live gestreamt, Johannes hat Bundesstadt.com und BonnerBlogs.de vorgestellt und das Publikum hat aufmerksam zugehört und Interessierte Fragen gestellt. Danach sprang ich mal kurz zu Katrin Reuter und Katrin Reuter, die gerade das Bonner Health-Startup Trackle vorstellten.
Blockchain-Hype
Nach einem kurzen Interview mit Christian Müller entschied ich mich für die Blockchain-Sessions am Nachmittag. Ich fand sie mächtig enttäuschend. Es wurde angekündigt, dass der Hype um die Blockchain überkommen werden sollte. Ich erwartete also etwas mehr technisches Grundlagenwissen. Was dann kam: Hype. Die Blockchain verändere alles, alle Mittelsmänner werden wegfallen, allein es fehle der politische Wille. Nebenbei fielen einige politische Aussagen, darunter: „Kinder lernen heute noch Latein und Altgriechisch. So ein Quatsch, die sollen coden lernen.“ Danach wurde über Demokratie philosophiert (hm, wer braucht schon Latein?). Ich dachte nur, geht’s noch? Auch aus dem Publikum gab es heftige Kritik, zurecht.
Irgendwie kann ich nicht einem Protokoll vertrauen, wenn selbst ich nicht verstehe, was die Blockchain macht und mir bisher das auch keiner erklären kann. Das einzige, was mich beruhigte, war: wenn Blockchain keine Mittelsmänner braucht, dann wird auch niemand vom Podium ein Mittelsmann sein. Dann sollten mir auch deren politische Aussagen egal sein können, aber so einfach ist es dann vermutlich doch nicht. Also: wer mir mal einen Kurs im Sinne von: „Wat is en Dampfmaschin?“für Blockchain anbieten kann, ist herzlich willkommen mir und anderen die Blockchain-Basics zu erklären. Und danach diskutiere ich gerne nochmal über Post-Demokratie.
Die letzte Session von Charlotte Jahnz und Moritz Hoffmann konnte mich dann wieder beruhigen und versöhnen. Sie stellten dar wie Hobby-Historiker in Facebook-Kommentarspalten historische Fakten verdrehen, sei es im Falle der Dresden-Bombardierung oder der Trümmerfrauen. Sie plädierten dafür, dass Historiker sich mit Fakten und Überzeugungskraft daran machen, solche Aussagen nicht unwidersprochen stehen zu lassen, sondern in die Diskussion zu gehen, auch wenn das anstrengend sei. Vielleicht wäre das ein Lichtblick für die Geisteswissenschaften, deren Rolle an anderen Stellen eher darin besteht, eingespart werden zu können.
re:publica. Und danach?
Mag sein, dass ich die Knallersessions verpasst habe. Es ist eh immer ein bisschen Lotterie und man darf sich von großen Namen und schönen Titeln bei der Konferenz nicht täuschen lassen. Da stand man dann eh oft vor verschlossenen Türen oder überfüllten Hallen. Aber irgendwie hat die re:publica dieses Jahr bei mir nicht gezündet.
Man verstehe mich nicht falsch: ich habe mich über jeden gefreut, denn ich kennen gelernt habe oder wieder sehen durfte. Aber inhaltlich gehe ich dieses Jahr nicht mit der Inspiration und dem Elan aus der re:publica, wie ich das die letzten Jahre getan habe. Es ist nur so ein Gefühl. Vielleicht hatte ich aber auch einfach nur Heimweh nach Bonn. Schön, wenn man dann gemeinsam nach Hause fährt und Geschichten erzählt.
Nichtsdestotrotz, möchte ich mich bei allen Helferinnen und Helfern, dem Orga-Team und allen anderen bedanken, die die re:publica möglich gemacht haben. Die organisatorische Leistung ist enorm und nicht zu unterschätzen, da will ich überhaupt nicht undankbar wirken. Die re:publica TEN war die größte re:publica aller Zeiten, aber vielleicht mochte sie mehr, als sie noch was kleiner war.
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