Am 1. Dezember 2014 fand ein Workshop zum Relaunch des Online-Angebots „Deutsche-Biographie.de“ in der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften statt. Es wurden neue Funktionen und die neuen Partnerinstitutionen vorgestellt. Auf Einladung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften war ich dort und habe am Workshop teilgenommen, getwittert und Interviews geführt.
Als ich im Jahr 2004 mein Propädeutikum im Historischen Seminar in Bonn absolvierte, gab es quasi noch keine Online-Angebote für Wissenschaftler, die es Wert waren in unseren Kurs aufgenommen zu werden. Der Zettelkatalog der Universitätsbibliothek Bonn wurde gerade digitalisiert und ein online durchsuchbarer OPAC aufgebaut. Google gab es schon, aber lieber suchte man Bücher über Bibliographien (also Bücher mit kategorisierten und sortierten Buchtiteln), und diese Bibliographien fand man wiederum in der Bibliographie der Bibliographien aufgelistet.
Wer sich weniger für Bücher und mehr für die Personen und ihre Biographien interessierte, der wurde zu dieser Zeit auf die ADB bzw. die NDB verwiesen. Die ADB war die „Allgemeine Deutsche Biographie“ (1875-1912), die NDB war die aktuelle Version davon, die seit 1953 erschien (und erst 2020 mit 28 Bänden vollständig erschienen sein wird). Die Neuere Deutsche Biographie (NDB) wird bis heute von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München (in Papierform) herausgegeben. Doch die Zeiten haben sich schon damals geändert und heute haben es Biographien, die nur in Papierform vorhanden sind, schwer, wenn doch der Wikipedia-Artikel für eine kurze Übersicht zu einer Person viel schneller als das Buch im Regal zu erreichen ist.
Die NDB hat natürlich den Vorteil (oder auch Nachteil), dass einzelne, ausgewählte Wissenschaftler diese biographischen Artikel verfasst und überprüft haben. Das Internet bietet neue Möglichkeiten der Qualitätssicherung durch die Augen vieler, aber auch diese lassen sich täuschen. Doch warum sollte man die NDB nicht auch ins Netz stellen und so doppelt und schnell prüfen zu können, wann jemand tatsächlich geboren wurde und wen er kannte? Das wäre ja immerhin ein Anfang und dieser wurde schon vor einigen Jahren gemacht. Das Internet entwickelt sich weiter und genauso muss ein Portal wie „Deutsche-Biographie.de“ neue Funktionen bieten, deren Präsentation ich hier zusammenfassen möchte. Am einfachsten ist es natürlich, sich selbst durchzuklicken.
Das biographische Portal ist erreichbar unter der Adresse http://www.deutsche-biographie.de und selbst auf der Bahnfahrt konnte ich die modern gestaltete Internetseite auf meinem Mobilgerät problemlos aufrufen. Über das Portal lassen sich alle biographischen Artikel aus einer Vielzahl von Katalogen im Volltext aufrufen. Leider lassen sich auf dem Tablet die Kürzel nicht auflösen oder anzeigen, dass lässt sich aber bestimmt beheben. Unter dem Text gibt es einen Hinweis auf die „vorgeschlagene Zitierweise“, zumindest für diejenigen, die der Link mit Datum nicht reicht – sogar die originalen Seitenzahlen werden genannt, so merkt niemand den Unterschied beim Zitieren.
In verschiedenen Untermenüs kann ich nun weitere Informationen aufrufen und hier wird es jetzt spannend: Orte aus dem Artikel werden auf einer Karte angezeigt, andere Artikel, in denen die Person vorkommt oder auch Verweise auf andere Texte zu dieser Person an anderen Stellen, werden aufgelistet und verlinkt. Hier gewinnt das Angebot an Fahrt und ich klicke mich durch eine Vielzahl von überprüften Informationen zu der Person quer durch das Netz von Partnerinstitutionen und in eng begrenztem Maße auch darüber hinaus. Die Wikipedia finde ich leider zum Vergleich nirgendwo verlinkt, auch wenn das technisch leicht möglich wäre.
Im Hintergrund wurden GND-IDs und BEACON-Dateien für diese Funktionalität verwendet. GND ist die Gemeinsame Normdatei (eine eindeutige Nummer für jeden publizierenden Menschen) und BEACON (eine technisch einfache Verknüpfung von Online-Artikeln mit dieser Nummer, die übrigens auch in Bonn entwickelt wurde) hilft Artikel im Netz mit dieser Nummer zu verknüpfen. Hier sieht man also schon die ersten Möglichkeiten, die das semantic web bieten kann. Ich suche eine Person und finde sofort alle passenden Artikel. Ich kann aber auch (bei technischer Kenntnis) alle Personen zu einem Ort in einem gewissen Jahr in Verwandtschaft zu einer bestimmten anderen Person suchen lassen. Wenn noch andere Datenbanken ans semantic web angeknüpft werden sind die Möglichkeiten der Expertensuche quasi unbegrenzt, darum ist es schon wichtig möglichst viele Partner für ein solches biographisches Supersystem von der ADB bis zu Wikipedia zu finden. Dreidimensionale Visualisierungen von Personennetzwerken sind damit kein Problem mehr und durch die Vernetzung gewinnt jedes einzelne Angebot an Stärke: frei nach dem Motto „Masse ist klasse“, wie sich auch an „Big Data“-Methoden zeigt. Darum sind auch Wikipedia und Deutsche Biographie eignentlich keine Konkurrenz, sondern wären wunderbar sich ergänzende Informationsquellen, wären sie denn offensichtlich verknüpft.
Das sind sie leider nicht, auch wenn es technisch ganz einfach wäre. Es hat aber vermutlich Imagegründe, denn in akademischen Kreisen ist die Wikipedia und das Prinzip Crowdsourcing nicht mit Vertrauen, sondern mit großer Skepsis verknüpft. „Zertifiziertes Wissen“ des Individuums zählt mehr als das „Mehraugenprinzip“ der Crowd, so wirkt es. Ähnlich ist es bei der Anbindung des Angebots zu sozialen Medien: Warum gibt es keinen Twitter- und Facebook-Button, damit ich meine Suchergebnisse sofort mit der digitalen scientific community teilen kann? Denkt jemand an die Suchmaschinenoptimierung der biographischen Einträge, damit ich bei einer Suche auch die Ergebnisse der Deutschen-Biographie.de auf der ersten Seite neben Wikipedia finden kann? Diese Kritik darf durchaus als Anregung zur Weiterentwicklung des Angebots verstanden werden, auch zur weiteren Öffnung. OpenAccess ist das Angebot bedauerlicherweise nicht. Ich würde gerne sagen noch nicht, aber das scheint nicht so. Das sind Punkte, die meiner Ansicht nach auf Dauer darüber entscheiden, ob ein Angebot wie Deutsche-Biographie.de ein Nischenprodukt bleibt oder tatsächlich Relevanz im wissenschaftlichen Diskurs unter digitalen Rahmenbedingungen behalten kann.
Aber es gab beim Workshop auch einiges erfreuliches zu berichten. Mittlerweile sind in der eADB mehr als 268.000 Personen recherchierbar und mit jedem neuen Partner werden es mehr Biographien und zugleich mehr verknüpfte Informationen. Bisher waren folgende Partnerinstitutionen beteiligt:
- Bundesarchiv Koblenz
- Foto Marburg
- Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg
- Deutsches Literaturarchiv, Marbach
- Deutsches Museum, München
- Deutsches Rundfunkarchiv, Frankfurt am Main
- Deutsche Nationalbibliothek, Frankfurt am Main
Die neuen Partner, die sich am Nachmittag des Workshops vorstellten waren:
- Staatsbibliothek zu Berlin
- Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
- Akademie der Wissenschaften und Literatur, Mainz
- Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und Künste
- Zentrum für Historische Friedensforschung, Bonn
- Landesarchiv Baden-Württemberg
- Akademie der Bildenden Künste, München
- Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main
- Sächsische Landesbibliothek, Dresden.
Für den runden Abschluss und einen hoffnungsmachenden Ausblick sorgte vor allem die Keynote von Marten Düring, der sehr anschaulich und trotzdem nicht oberflächlich über Historische Netzwerkforschung und die Vision des semantic web sprach. Sein Vortrag ist in voller Länge im weiter unten verlinkten Podcast zu hören. Die entsprechenden Vortragsfolien sind zum Download verlinkt.
Links
Podcast mit Interviews von Prof. Dr. Malte Rehbein, Matti Stöhr, Maximilian Schrott und Dr. Marten Düring, inkl. seiner Keynote:
http://podcast.saschafoerster.de/psf001-relaunch-von-deutsche-biographie-de
Folien des Vortrags von Dr. Marten Düring zur Historischen Netzwerkforschung und das Semantic Web:
https://www.dropbox.com/s/23tl1mhl9o7tom3/HNR%20und%20Semantic%20Web.pptx?dl=0
Beitrag von Matti Stöhr, ebendort mit Verlinkung zu seiner Präsentation
http://www.jdg-online.de/news/kooperation-deutsche_biographie
Bildergalerie
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Disclaimer
Die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hat mich zum Workshop „Historisch-Biographische Informationssysstem“ nach München eingeladen, um von dort über die Präsentation der neuen Features und Partner des Portals „Deutsche Biographie“ zu berichten. Alleine Hotel und Fahrt wurden mir daher freundlicherweise erstattet.
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