Der 6. Februar 2014 war ein ganz besonderer Tag. Nach drei relativ ungewissen Monaten, ob das Crowdfundingziel erreicht wird, erfuhr ich abends gegen 18 Uhr, dass es geklappt hat. Auf den Tag genau ein Jahr später wurde ich beim Bundesverband Deutscher Stiftungen nach Berlin eingeladen, um dort im Arbeitskreis Internationales bei einem 10-minütigen Impulsvortrag über Crowdfunding zu sprechen. Zugleich war dieser Tag auch der Abschluss dieses Crowdfunding-Jahres, denn ich hatte versprochen für ein Jahr lang am Projekt „Suche nach den Nachkriegskindern“ zu arbeiten. Die bisher publizierten Ergebnisse dieses Jahres findet ihr im Blog: zakunibonn.hypotheses.org und bei http://nachkriegskinder-studie.de. Und kurz am Rande: Für ein weiteres halbes Jahr ist meine Finanzierung (50%-Stelle) dank eines DARIAH-Fellowships gesichert, dass ich am 16. Februar an der SUB Göttingen antreten werde (danach darf ich weiter in Bonn arbeiten und bekomme neben der finanziellen noch ideelle Unterstützung).
In Deutschland gibt es über 20.000 Stiftungen.
Am 5. Februar war ich auch schon im Arbeitskreis und durfte dort die deutsche Stiftungswelt und die internationalen Anknüpfungspunkte, insbesondere zum Thema Europa, kennen lernen.
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Eine Zahl hat mich doch etwas überrascht. Es gibt in Deutschland über 20.000 Stiftungen, d.h. auf fast jeden 4000 Einwohner kommt eine Stiftung. Im Arbeitskreis Internationales waren etwa 40 bis 50 davon vertreten, manche sehr klein, von nur einer Person geleitet, andere mit Multimillionen-Budgets, manche von Privatleuten gegründet, manche mit Firmennamen. Die Stiftungswelt ist sehr vielseitig und auch ich arbeite ja mit einer halben Stelle als Community Manager in der Max Weber Stiftung, eine Stiftung kann also vieles sein und manchmal auch ganz anders heißen.
Die Keynote des ersten Tages hat Prof. Dr. Gesine Schwan gehalten. Einige Kernaussagen ihres pro-europäischen Vortrags habe ich getwittert. Besonders interessant fand ich, dass sie ihre Motivationen und Lebenseinstellungen durchaus als Folge ihrer Kindheitserfahrungen sieht und damit auch begründet; sie ist 1943 geboren. Ihr Thema war die Freude, darunter die Freude an der Solidarität und wie wir in Europa momentan damit umgehen, eher nicht so gut: http://tweets.saschafoerster.de/2015/02/05. Sie hatte Ihren Vortrag mit Freude gehalten und Freude gegeben:
Die weiteren Vorträge kann man sich im Programmrückblick anschauen: http://www.stiftungen.org/de/veranstaltungen/arbeitskreise-und-foren/ak-internationales/berlin-2015.html
Workshop: Alumniarbeit und Stiftung 3.0
Am Donnerstag Nachmittag habe ich im Workshop zur Alumni-Arbeit teilgenommen. Es war eine sehr anregende Diskussion: Braucht man überhaupt Alumni-Arbeit? Sollte man noch von Alumni sprechen oder möchte man lieber Netzwerk sagen? Es wurde auch offen über Klüngelkreise gesprochen und über Ziele, die man mit der Alumniarbeit verbindet. Ich versuchte immer wieder digitale Themen anzusprechen, beispielsweise ob soziale Medien bei der Alumniarbeit helfen können. Unisono berichteten alle über die schlechten Erfahrungen mit selbstaufgebauten sozialen Netzwerken, die später meist zu Facebook abgewandert sind.
Ich habe es mir auch nicht nehmen lassen dem Plenum eine „Arbeitsgemeinschaft Digitales“ vorzuschlagen. Stiftungen hätten das Potential viele digitale Projekte und Initivativen, sei es Freifunk, OpenSource, OpenScience, Kryptographie und noch viele weitere Ideen zu unterstützen, aber leider haben sie selbst andere Stiftungszwecke oder sind nicht erfahren genug in diesen Gebieten. Ich würde mir wünschen, dass in diesem Bereich Stiftungen bald mehr Verantwortung übernehmen, gerade dort wo Einzelpersonen überfordert und Staaten offenbar nicht die richtigen Ansprechpartner sind.
Im Raum selbst war ich der einzige, der getwittert hat (meines Wissens nach), abgesehen vom Social Media Team des Verbands deutscher Stiftungen, die ich am nächsten Tag noch persönlich kennen gelernt habe. Dank Ihnen war es bei mir interaktiv und umgekehrt.
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Nach einem ganz analogen aber ebenso geselligen Abendessen bekam ich am Freitag also die Chance quasi in der „Höhle der Löwen“ das Crowdfunding-Projekt „Suche nach den Nachkriegskindern“ vorzustellen. Aber ich durfte auch keine falschen Erwartungen haben. Viele Stiftungen suchen nämlich nicht nach Wegen um Geld auszugeben, dass können die meisten ganz gut selbst (das nennt sich dann operative Stiftung und die planen ihre Projekte und Kooperationen selbst), sondern mehr Geld zu bekommen. Gerade in Zeiten von niedrigen Zinsen ist es nicht für alle einfach das angelegte Geld zu bewahren und trotzdem Projekte und Ideen zu fördern. Bei mancher Stiftung kann das existenzbedrohend sein. Also woher nehmen? Und da war das Stichwort bzw. Buzzword „Crowdfunding“ eine neue Möglichkeit des Fundraisings für Stiftungen.
Vortrag zum Crowdfunding
So viel konnte ich leider nicht versprechen. Darum habe ich meine Crowdfunding-Erfahrungen zuerst einmal aus eigener Perspektive dargestellt. Was ist Crowdfunding? Wie ist der Ablauf? Welches Ziel hatte ich? Wieviel Zeit nahm es in Anspruch? Was sind Dankeschöns und welche Dankeschöns habe ich angeboten?
Dabei habe ich auch dargestellt, dass die Summe von 10.000€ für mich nur durch eine größere Unterstützung am Ende machbar war. Darum habe ich versucht Stiftungen diesen Finanzierungsweg schmackhaft zu machen, indem ich die Hebelwirkung eines Fundmatching deutlich machte, davon würden Projektstarter und Stiftung profitieren. Wer als Stiftung bei meinem Crowdfunding beispieslweise die Hälfte übernommen hätte, wäre ich viel einfacher auf die notwendige Summe gekommen. Die Crowdfunding-Projekte könnten Stiftungen sich ja nach ihrem Stiftungszweck aussuchen bzw. ausschreiben und so mit 5000€ einen Effekt von 10.000€ umsetzten.
Dazu kommen noch die ganzen positiven Nebenwirkungen eines Crowdfundings:
- Haupteffekt ist die Finanzierung des Projekts, dank Hebeleffekt mit halbem Aufwand.
- Wichtiger Nebeneffekt ist die Öffentlichkeitsarbeit des Projektsstarters: dieser muss kommunizieren um zu überzeugen. Das ist aber auch ein Grund, warum Stiftungen nur in Absprache mit ihrer Kommunikationsabteilung ein Crowdfunding überhaupt nur andenken sollen. Dort steckt nämlich der größte Aufwand. Wenn aber ein Projektstarter diese Arbeit übernimmt, macht er auch (hoffentlich gute) Public Relations für die Stiftung.
- Wenn ein Projekt erfolgreich ist, hat es gezeigt, dass es ein öffentliches Interesse am Projekt gibt und einen gewissen Marktwert hat. Die Crowd hat einen Vertrauens- und Finanzvorschuss aufgrund der dargestellten Fakten gegeben.
- Und nicht zu vernachlässigen: Es entsteht eine Community um das Projekt, die es begleitet und auch über die Finanzierung hinaus ein Netz der Unterstützung bietet.
Dieser letzte Punkt war auch bei der „Suche nach den Nachkriegskindern“ wichtig, denn ich möchte ich nicht nur nach Nachkriegskindern suchen, sondern einen intergenerationellen Dialog unterstützen und eine Community um das Forschungsprojekt aufbauen, die in weiteren Schritten (z.B. für ein Crowdsourcing) sehr wichtig sein kann. Darüber hinaus sind Kanäle und Dialogpartner für den Wissenstransfer, besser gesagt für den Wissensaustausch, vorbereitet.
Als weitere Punkte, die Stiftungen zum Crowdfunding beitragen könnten, habe ich Rechtsberatung genannt. Crowdfunding-Plattformen wie ScienceStarter.de dürfen nämlich keine Beratung anbieten, was für den Projektstarter eine finanzielle und rechtliche Unsicherheit birgt. In den USA gibt es für Crowdfunding spezialisierte Gesetze, auch da gibt es in Deutschland noch Entwicklungsbedarf, zuwenigst Interpretationshilfe bei bestehenden Gesetzen. Da der Arbeitskreis Internationales sich das Thema „Europa“ ausgesucht hatte, ließ ich es mir auch nicht nehmen eine Europäisierung des Crowdfundings als Aufgabe der Stiftungen zu nennen.
Diskussion und Reaktion zum Thema Crowdfunding
Zum Ende meines Vortrags wurden folgende Fragen gestellt:
Wie verdient ScienceStarter.de sein Geld?
ScienceStarter.de beruht technisch auf der Plattform von startnext.com. Es ist ein Projekt von Wissenschaft im Dialog, unterstützt von verschiedenen Partnern, beispielsweise dem Verband deutscher Stiftungen für die Wissenschaft. Momentan hat Sciencestarter selbst ein Crowdfunding laufen, um die Weiterfinanzierung zu unterstützen. Und es gibt die Möglichkeit der erfolgreichen Crowdfunder und der Unterstützer einen Teil ihres Geldes an die Plattform zu spenden.
Wieviele Projekte waren erfolgreich?
Letztes Jahr hat Sciencestarter etwa 200.000€ an Projektgeldern ausgezahlt. Etwa 50% der eingereichen Projekte haben ihr Finanzierungsziel erreicht. Ein wichtiger Faktor, wenn nicht der zentrale Faktor ist Kommunikation. Es reicht nicht eine Idee auf der Plattform zu präsentieren, sondern diese muss überzeugend kommuniziert werden.
Wieviel Zeit hat das Projekt gekostet?
Momentan dauert die Startphase 2 Monate. Dazu kommt noch etwa 1 Monat Vorbereitung, ich habe das aber alles nebenberuflich gemacht. Insofern kann man mit einem guten Montag an Arbeitszeit rechnen, dafür habe ich 12 Monate Arbeitszeit bekommen (minus Steuern, die vermutlich noch gezahlt werden müssen). Insgesamt hat sich das Crowdfunding aber gelohnt, denn beispielsweise durfte ich vor dem Arbeitskreis meine Erfahrungen präsentieren. Aber Crowdfunding ist auch nicht für jedes Projekt geeignet, doch wenn Kommunikation, Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit Vorteile für das Projekt sind, dann sind das schonmal wichtige Pro-Faktoren.
Während des Vortrags gab es meiner Ansicht nach zwei interessantere Reaktionen. Einige fanden das Thema sehr spannend und waren auch sehr interessiert, was mich sehr gefreut hat. Einige haben mir aber auch den Eindruck gegeben, dass sie denken, dass Crowdfunding ein Hype-Thema ist, dass bald wieder vorbei ist. Ich glaube das nicht, den Crowdfunding ist ja nichts anderes als ein Fundraising, dass über Internet und mit sozialen Medien abgewickelt wird. Und ich glaube, so lange es das Internet geben wird, wird es auch Crowdfunding geben. Nur zum Thema Internet, Social Media und eben auch Crowdfunding gibt es an vielen Stellen noch Weiterbildungsbedarf, damit es einfach zum Alltagsgeschäft wird. Ansonsten lasse ich mich gerne von weiteren Rückmeldungen überraschen. Und vielleicht kommt ja noch ein ernstgemeintes Förderangebot, denn für die tatsächliche neue Studie an den wiedergefundenen Nachkriegskindern gibt es immer noch keine entsprechenden Fördermittel, auch wenn daran gearbeitet wird.
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