Wie schreibt man eine Magisterarbeit? Erst neulich fragte mich ein Bekannter, ob ich ihm ein paar Tipps dazu geben könne. Ich habe versucht meine  Erfahrungen einmal für Ihn zusammenzufassen. Die Tipps gelten auch nach dem langsamen „Aussterben des Magisters“ für andere geisteswissenschaftliche Arbeiten, wie Master- oder Diplomarbeiten.

1) Beantworte Deine Leitfrage!

„Welche Forschungsfrage möchte ich überhaupt beantworten?“ Diese Frage muss klar sein: Nicht sofort, bevor man überhaupt das erste Buch aufgeschlagen hat, aber doch spätestens dann, wenn man das Exposé vorstellen möchte. Das heißt nicht, dass man schon die Antwort kennen muss. Meine Forschungsfrage hielt ich mir immer vor Augen, wenn ich Texte gelesen habe. Ist dieser Abschnitt hier wichtig für die Beantwortung meiner Frage?
Für die Literatursuche fing ich mit den allgemeinen Werken zu meinem Thema an und versuchte danach möglichst ein zentrales Werk zu finden, das eine aktuelle und verständliche Zusammenfassung meines Themas bietet. Dieses Werk sollte man zuerst bearbeiten, nebensächliche Themen erst später. Oft war ich auch erschlagen, wenn ich ein Werk gefunden habe, das über 200 Seiten und äußerst detailreich mein Thema bearbeitet hat. Ich war quasi in den Informationen „ertrunken“. Ich habe es dann erstmal zur Seite gelegt, weil ja nicht alles wichtig sein konnte. Später kam der Zeitdruck dazu, der mir half zu erkennen, was in diesem Text wichtig war: Nämlich nicht alles Wort für Wort zu zitieren, sondern die allgemeinen Informationen sinngemäß aus dem Gedächtnis zu schreiben, zusammenzufassen und zu belegen (weil die Zeit zu knapp war alles genau abzuschreiben) und die besonderen Informationen (d.h. das was für meine Argumentation wichtig war und nur in diesem Werk zu finden war) mit wortgenauen Zitaten zu belegen. So verhindert man auch, ganze Passagen Wort für Wort abzuschreiben, nämlich indem man sie aus dem Gedächtnis rekonstruiert und erst danach noch mal überprüft.

2) Struktur und Ordnung! Viele kleine Schritte führen zum großen Ziel…

Aus der Leitfrage ergab sich durch Nachdenken eine Struktur, wie ich eben diese Frage (Schritt für Schritt) am besten beantworten kann. In meinem Fall habe ich zuerst das Allgemeine bzw. Theoretische beschrieben, um danach diese Theorie am speziellen Fall zu überprüfen. Aus dem Anwendungsfall ließ sich schließlich auch wieder etwas über die Theorien sagen. Die Struktur entwickelt sich aber auch mit dem Lesen der Literatur weiter, und sie soll sich auch weiterentwickeln dürfen. Es kann durchaus sein, dass man in der letzten Woche nochmal alles umstellt, weil es so viel mehr Sinn macht, nachdem man es verstanden hat.
Wichtig ist es auch, die Struktur so kleinteilig zu machen, dass man nachher nur noch pro Tag ein kleines Kapitel schreibt. Ein kleines Kapitel schreibt sich viel leichter als eine 80-seitige Magisterarbeit.

3) Nutze ein Literaturverwaltungsprogramm!

Die Magisterarbeit besteht meistens aus einer Phase, in der man vorrangig liest, und einer Phase danach, in der man vorrangig schreibt. Beim Lesen ist es unabdingbar Notizen zu machen, sich Zitate herauszuschreiben, Zusammenfassung zu erdenken und die Literatur dazu zu notieren. Früher gab es dazu einen Zettelkasten, heute ermöglichen Literaturverwaltungsprogramme mehrere tausende Titel zu verwalten, inklusive Notizen, Dateien, usw. Weiterhin helfen sie beim Erstellen der Fußnoten und des Literaturverzeichnisses und sparen so eine Unmenge an Zeit. Ich nutzte dazu Zotero (siehe den Artikel zu Zotero in diesem Blog). Ansonsten gibt es die Software Citavi an manchen Unis (z.B. Uni Bonn) kostenlos während des Studiums. Weitere Alternativen sind beispielsweise Mendeley oder Endnote.

4) Argumentiere!

Es reicht nicht andere Texte zusammenzufassen und aneinander zu reihen. Die Arbeit soll dazu dienen die Forschungsfrage zu beantworten. Also muss bei jedem Zitat argumentiert werden, warum dieses Zitat die Frage zu beantworten hilft. Man soll also stets an den Leser und die Frage denken: Welchen Aspekt meiner Frage beantwortet das. Wie bewerte ich das?
Ich hab die einzelnen Kapitel meist so aufgebaut, im Kleinen wie im Großen: a) Einleitung: Was kommt jetzt?, b) Darstellung des Themas, ggfs. Unterkapitel c) Einordnung in meine Frage und Argumente.

5) Sprich Dich gut mit Deinem Dozenten ab!

Der Austausch zwischen Dir und dem Dozent hilft, Missverständnisse zu vermeiden. Wenn man früh genug miteinander spricht, dann dient das der Klarheit der Arbeit. Man sollte auch keine Sorge haben gegen den Dozenten zu argumentieren, aber auch nur, wenn man die besseren Argumente hat. Vorsichtig sein sollte man, wenn man merkt, dass der Dozent immer wieder seine Wünsche ändert, neue Themen anschneiden möchte, etc. Dann riskiert man in den letzten Wochen seine Arbeit komplett neu schreiben zu müssen.
Es schadet auch nicht andere Experten aus dem Feld der Arbeit einmal anzuschreiben. Man kann sie zum Beispiel um eine Kopie Ihrer Forschungsbeiträge bitten, den Du suchst. Manchmal entstehen so fruchtbare Diskussionen mit Forschern, die sich in Deinem Thema auskennen.

6) Sprich mit anderen über Dein Thema!

Natürlich will man niemanden mit Monologen über ein Spezial-Thema langweilen. Trotzdem habe ich es immer wieder versucht mit Freunden oder Bekannten über das Thema zu sprechen, ihr Interesse zu wecken, sie Fragen stellen zu lassen, oder sie gebeten einfach nur 15 Minuten „Hm Hm“ zu sagen, während ich über mein Thema spreche. Hilfreich war es besonders, wenn ich noch nicht wusste, wie ich ein Kapitel aufbauen sollte. Beim Sprechen musste ich irgendwo anfangen und irgendwo aufhören. Die Struktur ergab sich so beiläufig im Gespräch. Beim Sprechen fiel mir auf, was ich alles nicht wusste und ich war gezwungen mein Wissen zu sortieren.

7) Zeichne Mindmaps!

Um mein Wissen zu sortieren, war es hilfreich, Mindmaps zu zeichnen. Das zentrale Thema des Kapitels schrieb ich in Großbuchstaben in die Mitte eines großen Blatts, danach sortierte ich die Stichworte um den zentralen Begriff, die mir spontan einfielen. Wenn ich an die Grenzen des Blatts geriet, dann klebt ich einfach weitere Blätter dran (wenn man das ganze eh nicht digital macht). Oft hatte ich ganze Landkarten gemalt. Beim Schreiben orientierte ich mich immer wieder an diese Wissens-Landkarten und versuchte Stück für Stück über diese Karte zu wandern um meine Arbeit zu schreiben.

8) Mach dich locker!

Bei Schreibblockaden half es mir zu denken, ach egal, wenn das jetzt nicht alles perfekt und wortgewandt ist: Ich schreib es jetzt erstmal so, wie ich es einem guten Freund erklären würde. Mit dieser Einstellung habe ich dann einfach drauflos geschrieben, an den Formulierungen habe ich später gefeilt und war dann meist überrascht, dass sie oft gar nicht so schlecht waren. Spätestens ein Korrekturleser macht Dich auf seltsame oder triviale Formulierungen aufmerksam. Und hoffentlich auch auf verbliebene Rechtschreibfehler!

9) Gönne Dir bewusste Pausen!

Das fiel mir immer wieder schwer. Bewusst eine Pause zu setzen, und genau so bewusst und konzentriert zu arbeiten. Wenn es auch nur 4 Stunden am Tag richtige Arbeitszeit sind und ab 14 Uhr Ruhe und Entspannung mit Spazieren gehen, dann ist das völlig in Ordnung. Besser als 8 Stunden nicht wirklich etwas zu tun und abends deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben. Spätestens gegen Ende steigt der Druck von alleine und hoffentlich damit auch die Produktivität.

10) Angst motiviert oder blockiert!

Angst kann Dich enorm motivieren. Also hab keine Angst vor der Angst. Atme tief durch, sieh sie als etwas Positives, dass Dich antreibt Dein Ziel zu erreichen. Angst hat mich dazu gebracht, manchmal zu resignieren, aber meistens hat sie mich zu Leistung angespornt. Nutze diese Kraft der Angst zum Positiven.

11) Sei geduldig mit Dir selbst!

Es gibt Tage, manchmal eine ganze Woche, da habe ich kein Wort schreiben können. Ich flüchtete in Literaturrecherche, obschon ich mehr als genug gelesen hatte, um zu wissen, was wichtig war. Dann braucht man Geduld bis der richtige Moment kommt, den muss man dann nutzen.
Manchmal bin ich mitten in der Nacht aufgestanden, weil mir plötzlich eingefallen ist, wie ich ein Kapitel strukturieren muss oder wie ich eine bestimmte Teilfrage beantworten kann. Einfach so aus dem Nichts, nachdem ich mich tagelang damit gequält hatte. Diese Idee habe ich sofort notiert und am nächsten Morgen oder auch gleich nachts um 4 Uhr in die Arbeit geschrieben.

So, dass muss erstmal reichen an Tipps von meiner Seite! Natürlich ist diese Auflistung sehr subjektiv und teilweise auch sehr allgemein. Trotzdem hoffe ich, dass der ein oder andere Tipp Euch weiterhilft.

Habt Ihr noch Anregungen oder Fragen? Dann schreibt doch einen Kommentar.

Veröffentlicht von Sascha Foerster

Sascha Foerster ist Geschäftsführer der Bonn.digital GbR, Social-Media-Berater, Community Manager, Moderator für Barcamps und Speaker bei Digital-Events.

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7 Kommentare

  1. Prima Tipps. Bin grad mitten in der Magisterarbeit und sehe, dass ich wohl auf einem guten Weg bin. Aber es war hilfreich, es durch diese Tipps mal bestätigt zu kriegen.

      1. Ich würde behaupten, dass das auch für Master of Arts-Arbeiten sehr nützlich sein dürfte ;).

  2. Tolle Tipps & Anregungen! Kannst du vielleicht noch deine Erfahrung teilen, nach wievielen Wochen/Monaten des Lesens du mit dem Schreiben begonnen hast? Vielen Dank!!

    1. Hi Linda, ich denke, es waren etwa 4 Monate von der ersten Lektüre und Themenfindung bis zur Anmeldung. Aber meine Erfahrung ist auch, dass eine spätere Anmeldung nicht nur Vorteile hat: sobald ein klarer Termin feststeht, verändert das die Prioritäten und man wird früher fertig. Viel Erfolg!

    1. Actually there is no big difference. The university system has been reformed some years ago from Magister to a more international „Bachelor-Master“-system. I was in the last generation of Magister-students, but the hints should also be helpful for diploma and other students for any degree.

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